Knigge Alltagsfragen: Dank für ein Geschenk einfordern?
Leser der Nürnberger Nachrichten stellen Alltagsfragen rund um das menschliche Miteinander.
Hellgrau G. aus Nürnberg beschäftigt folgendes Thema: „Mein Sohn hat im Mai geheiratet. Das junge Paar hat sich im Juli mit einem sehr persönlichen Dankesschreiben und Hochzeitsfoto bei allen ,Schenkenden‘ bedankt. Einer Verwandten von uns ging das nicht schnell genug und sie hat sich bei mir als Mutter über das ihrer Meinung nach ungehörige Benehmen unseres Sohnes beschwert. Sie meinte, dass sich mein Sohn mit einem Telefonanruf sofort bei ihr hätte bedanken müssen. Meine Frage lautet nun: Kann man Dank für ein Geschenk beim Beschenkten in einem bestimmten Zeitraum oder überhaupt generell einfordern?“
Es antwortet heute Knigge-Expertin Stefanie Frieser:
Bei einem großen Ereignis wie einer Hochzeit, bei dem die Geschenke nicht persönlich überreicht werden, gilt eine Karenzzeit für den Dank von sechs bis acht Wochen. War die Hochzeit also Mitte Mai und das Paar bedankt sich Mitte Juli, war das zwar spät, aber nicht zu spät. Vielleicht waren sie zeitlich etwas darüber, aber darum geht es eigentlich nicht. DerPunkt ist, dass ein Dank immer von Herzen kommen sollte, andernfalls ist er nur eine Floskel. Und ehrlichen Dank kann ich eben nicht einfordern. Der Grundgedanke beim Schenken ist ja nicht, den Dank zu erwarten, sondern, dem anderen eine Freude bereiten zu wollen. Ein echtes Geschenk zu machen heißt, geben ohne zu fordern.
Natürlich ist es auch ein Zeichen des wertschätzenden Umgangs, sich für ein Geschenk zu bedanken. Bei größeren Ereignissen kann das etwas dauern, wenn man persönlich schreiben möchte und auch noch ein Bild mitschicken möchte.
Dass sich die Verwandte an die Mutter wendet, um sich über den Sohn zubeschweren, geht im Übrigen überhaupt nicht. Der Bräutigam ist schließlich nicht mehr fünf Jahre alt.
Wenn ich das Gefühl habe, etwas ist nicht angekommen oder untergegangen, dann wende ich mich immer direkt an denjenigen, den es betrifft. Ein anderer Punkt ist, sich zu fragen, warum das Verhalten des Brautpaares die Verwandte so getroffen hat. Meistens steckt dann etwas ganz anders dahinter. Fühlt sie sich vielleicht nicht genug geachtet? Oft ist so etwas auch ein Hilferuf. Da kommen wir jetzt schon in den Bereich der Psychologie. Deshalb wäre es gut, bei der Verwandten nachzuhaken: Was hat dich so verletzt? Denn oft beschwert man sich, über etwas, was „man“ tut oder nicht, um nicht über die eigenen Gefühle sprechen zu müssen.
Quelle: Nürnberger Nachrichten vom 23.10.2014