Knigge im Bewerbungsgespräch

Mrz 10, 2014 | Allgemein

Interview mit Stefanie Frieser zum Thema „Knigge im Bewerbungsgespräch“ erschienen im März 2014 bei Staufenbiel.de der Jobbörse für Studenten und Absolventen

Frau Frieser, hat Knigge etwas zum Verhalten in Bewerbungsgesprächen gesagt?

Nicht direkt. Aber in seinem Buch ‚Von dem Umgange unter Eheleuten‘ lassen sich Anregungen finden, die man aus dem Langfrist-Engagement Ehe auf das Langfrist-Engagement Arbeitsverhältnis transferieren kann. Tipps wie ‚Wichtig ist es, sich nicht gegenseitig langweilig zu werden‘ kann man in die heutige Zeit mit der Herausstellung des USP übersetzen. Was macht Sie also unvergleichlich? Hört Ihnen Ihr Gegenüber gerne zu? Stellen Sie Ihre Stärken im Bewerbungsgespräch heraus, ohne zu dick aufzutragen? Machen Sie Ihren künftigen Arbeitgeber neugierig auf seinen künftigen Mitarbeiter. Und last but not least: Informieren Sie sich ausführlich über das Unternehmen. Viele Bewerber unterschätzen diesen Punkt.

Warum ist das Verhalten im Bewerbungsgespräch so wichtig?

Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance. Wie lange hat Ihr Gegenüber die Chance des Schubladenhoppings? Eine Minute? Zwei? Weit gefehlt! Nach 15 Sekunden sind Sie eingeordnet.

Wie verhalten sich Bewerber perfekt?

Respektvoll und authentisch. Es macht keinen Sinn, etwa als eher introvertierte Person den Alleinunterhalter zu geben. Verbiegen Sie sich nicht. Das macht auf Dauer weder einen Arbeitgeber noch Sie glücklich. Das heißt, stellen Sie Ihr Licht nicht unter den Scheffel, aber übertreiben Sie nicht. Bluffs haben im Vorstellungsgespräch meist eine recht kurze Halbwertzeit. Und hören Sie als Bewerber aktiv zu. Empathisch auf ein Gegenüber einzugehen hat noch in keiner Lebenssituation geschadet. Heute wirkt manches, was Knigge von sich gegeben hat, vielleicht etwas angestaubt.

Welche Etikette-Regeln sind noch etwas für Bewerber?

Knigge war kein Benimm-Onkel. Es ging ihm um den wertschätzenden und respektvollen Umgang mit unserem Gegenüber. Wenn Sie das beherzigen, können Sie als Bewerber eigentlich nichts falsch machen. Natürlich macht es Sinn, zum Vorstellungsgespräch im Finanzbereich die Jeans im Schrank zu lassen und sich dem Dresscode der Branche anzupassen.

Nun gilt die Generation Y als nicht gerade Knigge-stark.Was empfehlen Sie?

Da kann ich Entwarnung geben: Im Umgang mit Menschen geht es nicht um starre Regeln. Und wenn Sie sich permanent um Regelkonformität bemühen müssen, verlieren Sie Ihr Gegenüber aus dem Blick. Wichtig ist, dass sich der Gesprächspartner mit Ihnen wohlfühlt. Darum geht es im wertschätzenden Umgang. Die gute Nachricht ist, dass Sie sich Ihr Leben mit einem zufriedenen Gegenüber wesentlich leichter machen. Ich denke, das ist ein Argument, das auch für die Generation Y wichtig sein dürfte.

Sie haben BWL studiert und im Finanzsektor gearbeitet. Was ist in der Branche bei der Etikette noch üblich?

Im Finanzsektor geht es meist etwas konservativer zu. Zwar gibt es Unternehmen, in denen sich Mitarbeiter bis zum Vorstand duzen, um eine lockere Atmosphäre zu schaffen. Dafür wird Hierarchie stärker durch Einhaltung nonverbaler Etikette-Regeln gelebt, etwa durch Sitzordnungen oder Vorstellungsrituale. Für Einsteiger kann das zu Orientierungsproblemen führen. In der Knigge-Gesellschaft haben wir zum Beispiel lange über die Frage des Kurzarmhemds im Bankenbereich diskutiert und sind – auch nach Rücksprache mit Unternehmen – wieder zu dem Schluss gekommen, dass im Kundenkontakt das Langarmhemd Pflicht bleibt.

Und was geht sonst gar nicht – weder beim Bewerbungsgespräch noch in der ersten Zeit im Job?

Kompetenz ist gut. Aber Mr. Know-all kommt nicht gut an und wird die Kollegen im neuen Unternehmen eher vor den Kopf stoßen. Zurückhaltung ist manchmal nicht ganz einfach, weil man das Wissen aus dem Studium einsetzen möchte und vor Tatendrang nur so sprüht. Aber denken Sie daran: Kluge Köpfe erkennen Sie nicht an Statements, sondern an ihren Fragen. Seien Sie neugierig auf das Wissen der Kollegen und zeigen Sie echtes Interesse. Dann kann nichts schiefgehen.

Was war Ihr größter Tritt ins Fettnäpfchen?

Mein größter Fauxpas ist mir bei einer Einladung zu einem Fußballspiel passiert, als ich neben dem Vizepräsidenten des heimischen Vereins saß und die falsche Mannschaft angefeuert habe. Wegen meines ausgeprägten Eitelkeitsgens hatte ich auf eine Brille verzichtet und erkannte nicht, dass der ansässige Club wegen der Farben der Gäste Alternativtrikots trug. Dazu gesellte sich meine vollkommene Ahnungslosigkeit beim Fußball und so nahm das Drama seinen Lauf. Ich muss gestehen, dass ich lange nicht gemerkt habe, dass etwas falsch läuft. Man hat mich danach nicht mehr eingeladen. Aber ich habe daraus gelernt: Ohne Brille erst fragen, dann jubeln. Der Vizepräsident des Clubs ist mir bis heute herzlich verbunden. Das schreibe ich dem glücklichen Umstand des Vergessens zu.

Wie lauten Ihre Knigge-Tipps für Absolventen?

Zeigen Sie Interesse und Neugier an anderen Menschen, Empathie und Perspektivenwechsel. Die Bereitschaft, sich stetig weiterzuentwickeln, ebnet den Weg in ein erlebnis- und entwicklungsreiches erfülltes Berufsleben. Und bitte: Verhalten Sie sich authentisch, situationsadäquat und nicht starr regelkonform.

Interview: Thomas Friedenberger
(Quelle: http://www.staufenbiel.de/banking-finance/banking/bewerben/knigge-im-bewerbungsgespraech.html)